Bark spürte einen heftigen Schmerz in ihrem Knöchel. Sie wusste, was passiert war und wusste, was noch passieren würde. Von dem meisten bekam sie ja glücklicherweise nichts mehr mit. Wenn die monströsen Untoten erst einmal ihre Bauchdecke auseinander gerissen und die ersten Gedärme verschlungen hatten, würde sie von dem ganzen Dreck hier erlöst sein. Dann brauchte sie sich keine Sorgen mehr darum zu machen, wo sie das Essen herbekamen, ob der Zaun sicher war und wie viel Munition sie gefahrlos zum Training verschwenden durfte. All diese komplizierten Fragen, all diese albtraumerregenden Sorgen, all der Schmerz und Dreck und die Einsamkeit - ja auch Bark zeigte hin und wieder echte Gefühle - all das konnte so schnell vorbei sein. Nur noch ein kurzer Moment. Ein letztes Keuchen und dann Stille. Ein letztes Mal der Geschmack von Blut.
Doch statt Stille ertönte eine Stimme und statt Blut rann ein Seufzen der Erleichterung aus ihrem Mund. So sehr sie auch versuchte den Tod schön zu reden, war sie doch nicht bereit zu gehen. Noch nicht. Sie spürte wie der Zombie von ihrem Fuß abließ und leblos zu Boden sank. Erst jetzt öffnete das Mädchen die Augen und erkannte Mortimer, der von einer Herde zerfetzter Kannibalen gejagt wurde. Zuerst konnte sie nur in seine Richtung starren die Augen aus Ungläubigkeit aufgerissen. Wo kam er her und seit wann hatte er die Eier für solche Aktionen und...wieso nahm er solche Wörter in den Mund.
Doch nach einigen Sekunden kam auch ihr die Erkenntnis, dass es vielleicht gar keine so schlechte Idee war, ihrem einzigen Freund auf diesem ganzen Planeten zur Hilfe zu eilen. Mit einem Satz sprang sie vom Brunnen hinunter, ignorierte den Schmerz, der ihr Bein hochzog, griff nach dem Ersatzmagazin, dass neben der Leiche eines kleinen Mädchens lag und rannte. Sie rannte so schnell ihre dünnen, demolierten Beine sie tragen konnten. Zum Glück war sie nicht schnell genug. Der offene Knöchel und die von Mangelernährung und stetiger Anstrengung geschwächten Muskeln retteten ihr ihr Leben. Ansonsten wäre sie selbst wohl schnurstracks in die Explosion gerannt und mit den Infizierten zusammen verbrannt. Dann bliebe von Morts Rettungsaktion nur ein Häufchen Asche.
So aber wurde auch sie nur von den Füßen gerissen und schlug hart mit ihrem Kopf auf den ausgetrockneten Erdboden auf. Die Augen kniff sie zusammen und konnte doch nicht dem gleißendem Licht entgehen.
Geblendet, mit schmerzenden Gliedern und von der Hitze gepeinigt lag sie am Boden und atmete schwer. "Mort?" presste sie schließlich durch ihre eingerissenen Lippen. "Lebst du noch, du Volldepp?" Schwerfällig stand sie auf, hielt sich ihr T-Shirt vor Mund und Name um sich durch die dicken Rauchschwaden zu ihrem Retter in der Not zu eilen. Dem hielt sie erst die Hand hin, nur um eben diese dann wieder wegzuziehen und in alter Barkmanier die Stimme zu heben. "Bist du eigentlich völlig hirntot, du behindertes Arschgesicht? Du hättest dich beinahe umgebracht! Was hätte ich'n dann machen sollen, hä? Du warst doch auf dieser beschissenen Schule für hyperintelligente Kinder! Warum schaltest du dann dein Kackhirn nicht auch mal ein? Du... du..." Mit einem Mal veränderte sich ihre Stimmlage, bis gar kein Ton mehr von ihrer Zunge kam. Mit großen Augen sah sie ihn an, sein schmutziges Gesicht, die frisurlosen Haare und die eindringlichen Augen. Sie hatte doch nur noch ihn und auch wenn sie das nicht gern zugab...sie brauchte ihn.
In einem Moment emotionaler Überbelastung, den sich die Engländerin selbst nicht erklären konnte, fiel sie ihm plötzlich um den Hals. Drückte ihre rote Nase in seine Schulter und wollte ihn nie wieder loslassen. "Du Teewurst..." flüsterte sie.
Wer jetzt denkt, dass Mortimers selbstlose Rettungsaktion ihr hartes Herz erweichen konnte, täuschte sich gewaltig. Denn kaum war der Schock und das Adrenalin abgeklungen, trat sie zurück und schlug ihm mit der Hand kräftig ins Gesicht. So stark sie konnte schnellte ihre Handfläche gegen seine Wange. Und dann? Dann grinste sie breit.
Ließ den Knöchel außer Acht. Vergaß die Infektion. Vergaß, dass sie überhaupt noch am leben war.